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Interview Lebenshilfe Waltrop

In meinen Beratungsmandaten stellt sich zunehmend die Frage „Wie geht es nach Corona weiter?“ Im Zuge einer Talkreihe stelle ich zusammen mit meiner Kollegin Susanne Stock (Moveo) immer wieder spannende Gäste vor, die sich auf den Weg gemacht haben und Ihre Vorgehensweisen und Erfahrungen aus der Praxis teilen möchten. 

Diese Woche war es nun soweit und der erste Online Neuzeit - Talk aus der Reihe „Corona und dann? Impulse für die Zeit nach Corona“ hat stattgefunden.

Rund um die Fragen

„Was löst Corona gerade an guten Dingen aus?“

„Wie können wir das Gute dauerhaft bewahren?“

„Was machen wir gerade anders als vor Corona?“

„Was ist gerade gar nicht förderlich für unser Unternehmen?“

standen uns der Vorstand, Christoph Haßel-Puhl und Christian Heiken, Mitglied der Geschäftsleitung der Lebenshilfe Castrop-Rauxel, Datteln, Oer-Erkenschwick, Waltrop e.V. in dem Interview zur Verfügung.

Diese Lebenshilfe beschäftigt 260 Mitarbeiter und 25 Freiwillige, sowie nochmals 70 Mitarbeitende die in den Integrationsunternehmen beschäftig sind.

Am 13. März war ich in noch in der Geschäftsstelle in Waltrop und durfte miterleben, wie man an diesem Freitagnachmittag auf die Entscheidung des Landes NRW gewartet hat, ob die Schulen und Kitas schließen werden. Eine Entscheidung mit besonderer Tragweite auch für die Mitarbeitenden der Lebenshilfe Waltrop. Drei Kitas, viele Bewohner, die in Werkstätten arbeiteten und von jetzt auf gleich in den Wohnstätten bleiben mussten, Schulbegleiter die schlagartig nichts mehr zu tun hatten und vieles mehr.

In der Geschäftsstelle wirkten alle sehr gelassen und gut vorbereitet auf mich. 

Ich sprach Christoph Haßel-Puhl daraufhin an und bekam als Antwort: „Dank unseres Organisationsentwicklungsprozesses haben wir in den letzten Jahren daran gearbeitet, uns agiler aufzustellen. Davon profitieren wir jetzt. Wir sind den Entwicklungen derzeit noch immer ein bis zwei Schritte voraus.“

Zusammengefasst haben die beiden folgende Punkte als wichtig erachtet, um gut durch die Krise zu kommen:

  • Ein gemeinsames Ziel hat geholfen, sich zu fokussieren und die Energien zu bündeln; Es geht um das Überleben des Unternehmens, d.h. alle machen gemeinsame Sache bei der existenziellen Angelegenheit.
  • Vertrauen in die Mitarbeiter haben. Abgeben an die Menschen, die näher an einer Situation dran sind und diese besser einschätzen können. Den Könnern Raum geben und sie machen lassen.
  • Schnelligkeit durch Kooperation innerhalb der Lebenshilfe, aber auch mit externen Partnern und Könnern.
  • Vorgaben und Richtlinien anpassen, wenn es für die Praxis sinnvoll ist; Formalitäten soweit wie möglich reduzieren.
  • Vom Reagieren ins Agieren kommen mit der Frage: was brauchen wir gerade und wie stellen wir uns die Lösung eines Problems vor (Beispiel: wir beschäftigen die Behörden mit Vorschlägen von unserer Seite).
  • Offen sein für kreative Lösungen.
  • Neue Formen der Kommunikation schaffen; alte Kommunikationsformen überprüfen und ggf. über Board werfen.
  • Entscheidungen schnell treffen und umsetzen – Richtlinie dabei ist das gemeinsame Ziel.
  • Reflektion, Kommunikation, Reflektion, Kommunikation usw…. und nicht erst nach der Krise auswerten. So bleibt man flexibel, schnell und wendig.
  • Investitionen und sinnvolle Verschwendungen auch während der Krise.

Besondere Aufmerksamkeit erhielten die praktischen Beispiele, die unsere Interviewpartner anführten. Ein sehr prägnantes sei hier ausgeführt:

Ähnlich wie in Altenheimen drängte sich für die Wohnstätten zunehmend mehr die Frage auf, wie man Besucherkontakte unter Einhaltung aller Regeln und dem Schutz der Bewohner gestalten kann. In einem Spiegelartikel stieß eine Mitarbeiterin auf ein Beispiel aus den Niederlanden, wo man Besuchercontainer vor Altenheime gestellt hat. Im Inneren trennt eine Plexiglasscheibe den Bewohner von seinem Gast. Mit Hilfe eines befreundeten Eventmanager (externer Kooperationspartner), konnte ein solcher Container innerhalb von nur drei Tagen bestellt und aufgestellt werden!

Die Talk Teilnehmer wollten wissen, was nach der Krise bleiben wird. 

Die Reduzierung der Arbeitszeit während der Krise auf 35 Stunden als Vollarbeitszeit wird weiter beobachtet und diskutiert und ggf. beibehalten, sowie die Möglichkeit weiterhin im Home Office zu arbeiten. Auch die Besprechungskultur und Kommunikationsplattformen sollen überdacht, reduziert und weiter angepasst werden.

Gute Erfahrung wurde auch mit der internen Jobbörse gemacht. Um die unterschiedlichen Belastungen und Betroffenheit durch die Krise aufzufangen, gab es die Möglichkeit für Mitarbeitende, die in Bereichen, wie z.B. der Kitas tätig waren und durch die Schließungen in Minusstunden rutschten, in den Bereichen der Lebenshilfe tätig zu werden, die stärker belastet waren, wie z.B. die Wohnstätten, wo die Bewohner nun ganztätig auf Grund der Werkstättenschließungen anwesend waren. 

Deutlich geworden ist auch, dass die Kooperationen innerhalb der unterschiedlichen Bereiche der Lebenshilfe schon sehr gut funktioniert, die Kooperation mit Externen aber noch stärker ausgebaut werden kann.

Es war insgesamt eine kurzweilige Stunde und unser Dank geht nochmals an die Lebenshilfe Waltrop dafür, dass Sie uns den Blick hinter die Kulissen gewährt hat.